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20.12.2012 Die anderen Genossen - Wer ist der Größte? Zurück >

Die Süddeutsche Zeitung veröffentlichte am 13.12.2012 einen interessanten Artikel über die Geschichte der Sparda-Bank und die bayerischen Genossenschaften. Nicht alle Betriebe, die solidarisch organisiert sind, gehören zum größten Dachverband. Für die
Sparda-Banken ist das manchmal ein Problem

Sie nehmen es mit dem nötigen Humor, die Chefs in der Zentrale an der Münchner Arnulfstraße, nahe den
Bahngleisen des Hauptbahnhofs. Denn so stolz sie auch darauf sein mögen, Bayerns größte Genossenschaftsbank zu
leiten: Ihr erster Platz wird ihnen immer mal wieder streitig gemacht - fälschlicherweise. Die Sparda-Bank München, deren Bilanzsumme 2011 rund 5,9 Milliarden Euro betrug, ist nicht beim Genossenschaftsverband Bayern (GVB) gelistet - und fällt deshalb bei Rankings in den Medien immer mal wieder durch den Raster. Statt der Münchner Bank führt dann die kirchliche Regensburger Liga-Bank mit einer Bilanzsumme von 4,5 Milliarden Euro die Liste der größten Genossenschaftsbanken im Freistaat an. Die Kirchenbank gehört nämlich zum bayerischen Verbund der klassischen Volks- und Raiffeisenbanken, die alle unter dem Dach des seit 119 Jahren bestehenden GVB versammelt sind. Die Sparda-Bank gehört nicht dazu. Sie führt ein Eigenleben; wie auch einige andere Genossenschaften in Bayern.
Es hat vor allem historische Gründe, dass die derzeit beim GVB gemeldeten 1226 genossenschaftlich organisierten Betriebe eben nicht alle Genossenschaften abbilden die es in Bayern tatsächlich gibt. GVB-Sprecher Jürgen Gros: 'Rund 98 Prozent aller Unternehmen mit dieser Rechtsform sind bei uns Mitglied und werden von uns genehmigt, beaufsichtigt und geprüft.' Die restlichen zwei Prozent gehören zu anderen Verbänden oder sind rechtlich anders organisiert.
Mitte des 19. Jahrhundert hatten zwei Politiker die gleiche Idee - nicht nur der Staat, sondern jeder Bürger selbst kann zum Wohl der Gesellschaft beitragen. Der Kommunalbeamte Friedrich Wilhelm Raiffeisen ließ in Weyerbusch bei Köln während der Hungersnot 1846 Brot für die Armen backen. Ein Jahr später hob er den ersten Hilfsverein zur Unterstützung der notleidenden ländlichen Bevölkerung aus der Taufe. 15 Jahre später gründete er den 'Heddesdorfer Darlehnskassenverein', der heute als erste Genossenschaft im Raiffeisenschen Sinne gilt. Zur selben Zeit rief der Jurist und Abgeordnete der Preußischen Nationalversammlung Hermann Schulze-Delitzsch in Delitzsch eine Hilfsaktion ins Leben, die den in Not geratenen Handwerkern zugute kam. Er gilt damit als einer als Gründervater der gewerblichen Genossenschaften.
Die erste Sparda-Bank wurde erst gut 50 Jahre später gegründet; am 6. Mai 1896 unter dem Namen 'Spar- und Vorschuss-Verein der badischen Eisenbahnbeamten' in Karlsruhe. Nach weiteren Neugründungen entstand um die Jahrhundertwende ein eigener Revisionsverband. 1930 verspürten dann 33 Münchner Eisenbahner den Wunsch, in finanziellen Angelegenheiten solidarisch zusammenzustehen. Also gründeten sie eine Bank, die sie genossenschaftlich organisieren wollten. Dazu mussten sie sich einem Dachverband anschließen, der als gesetzlicher Prüfer die Rechtmäßigkeit feststellen und sie als eG (eingetragene Genossenschaft) genehmigen musste. Natürlich schlossen sich die Eisenbahner dem Verband ihrer Berufskollegen an - und nicht dem Genossenschaftsverband Bayern. Der in Frankfurt ansässige Sparda-Banken-Verband vertritt heute zwölf eigenständige Sparda-Banken in Deutschland - und ist auch deren zuständiger Prüfungsverband.
Die Sparda-Bank München eG hat aktuell 247000 Mitglieder und betreibt derzeit 46 Geschäftsstellen in Oberbayern. Im
Gegensatz zu vielen anderen Geldinstituten baut die Bank ihr Filialnetz aus: 2012 kamen zwei neue Geschäftsstellen dazu,
weitere sind geplant. Christine Miedl, Mediendirektorin der Münchner Sparda-Bank: 'Wir wollen nah am Kunden sein. Der braucht und will persönliche Beratung.'Die Kunden sind zumeist auch Mitglieder der Genossenschaft. Und es sind nur
Privatpersonen: Bei uns bekommt nur Otto Normalverbraucher ein Konto für Lohn, Gehalt oder Pension und Rente - keine Firma, kein Mittelständler' Dies ist schon so in den Gründungsakten festgelegt. Erst 1969 öffneten sich die Bahn-Banker zunächst anderen Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Seit 1974 stehen die 'Spardas', wie sie auch salopp genannt werden, allen Privatpersonen offen. Kunden können entweder einen Anteil zeichnen, dann erhalten sie ein kostenloses Giro-Konto. Oder sie eröffnen ein kostenpflichtiges Konto. Neben dem Münchner Geldhaus gibt es in Bayern noch die Sparda-Banken Nürnberg, Augsburg und Ostbayern. Die Bankhäuser sind zwar nicht im GVB organisiert, aber Mitglied im Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) und damit über dessen Sicherungseinrichtung geschützt.
Zwar auch historische, aber vor allem politische Gründe sind ausschlaggebend dafür, dass eine ganze Gruppe von
Genossenschaften nicht zu den jeweiligen Länderverbänden gehört: die Wohnbaugenossenschaften. Die ersten
Gründungen datieren ziemlich zeitgleich mit dem Beginn der Bewegung durch Raiffeisen und Schulze-Delitzsch. Während
die Politiker ihre Idee jedoch eher staatsfern umsetzen wollten, war bei den Wohngenossenschaften von Anfang an eine
Zusammenarbeit - auch eine finanzielle - mit den Regierungen geplant. Deshalb gingen die Gründerväter von Anbeginn
getrennte Wege. Die mehr als 2000 Unternehmen in Deutschland sind mit anderen Wohnungsanbietern im Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen vertreten.
Im Freistaat gibt es zudem noch Jagd- und Weidegenossenschaften. Diese unterliegen jedoch nicht dem
Genossenschaftsgesetz, sondern werden als Körperschaften öffentlichen Rechts geführt - und sind in der Regel den
landwirtschaftlichen Verbänden angegliedert.

Ralf Scharnitzky

Quelle: Süddeutsche Zeitung, Donnerstag, den 13. Dezember 2012, Seite 64