Sie nehmen es mit dem nötigen Humor, die Chefs in der Zentrale an der Münchner Arnulfstraße, nahe den
Bahngleisen des Hauptbahnhofs. Denn so stolz sie auch darauf sein mögen, Bayerns größte Genossenschaftsbank zu
leiten:
Ihr erster Platz wird ihnen immer mal wieder streitig gemacht -
fälschlicherweise. Die Sparda-Bank München, deren Bilanzsumme
2011 rund 5,9 Milliarden Euro betrug, ist nicht beim
Genossenschaftsverband Bayern (GVB) gelistet - und fällt deshalb
bei Rankings in den Medien immer mal wieder durch den Raster. Statt der
Münchner Bank führt dann die kirchliche Regensburger
Liga-Bank mit einer Bilanzsumme von 4,5 Milliarden Euro die Liste der
größten Genossenschaftsbanken im Freistaat an. Die
Kirchenbank gehört nämlich zum bayerischen Verbund der
klassischen Volks- und Raiffeisenbanken, die alle unter dem Dach des
seit 119 Jahren bestehenden GVB versammelt sind. Die Sparda-Bank
gehört nicht dazu. Sie führt ein Eigenleben; wie auch einige
andere Genossenschaften in Bayern.
Es hat
vor allem historische Gründe, dass die derzeit beim GVB gemeldeten
1226 genossenschaftlich organisierten Betriebe eben nicht alle
Genossenschaften abbilden die es in Bayern tatsächlich gibt.
GVB-Sprecher Jürgen Gros: 'Rund 98 Prozent aller Unternehmen mit
dieser Rechtsform sind bei uns Mitglied und werden von uns genehmigt,
beaufsichtigt und geprüft.' Die restlichen zwei Prozent
gehören zu anderen Verbänden oder sind rechtlich anders
organisiert.
Mitte des
19. Jahrhundert hatten zwei Politiker die gleiche Idee - nicht nur der
Staat, sondern jeder Bürger selbst kann zum Wohl der Gesellschaft
beitragen. Der Kommunalbeamte Friedrich Wilhelm Raiffeisen ließ
in Weyerbusch bei Köln während der Hungersnot 1846 Brot
für die Armen backen. Ein Jahr später hob er den ersten
Hilfsverein zur Unterstützung der notleidenden ländlichen
Bevölkerung aus der Taufe. 15 Jahre später gründete er
den 'Heddesdorfer Darlehnskassenverein', der heute als erste
Genossenschaft im Raiffeisenschen Sinne gilt. Zur selben Zeit rief der
Jurist und Abgeordnete der Preußischen Nationalversammlung
Hermann Schulze-Delitzsch in Delitzsch eine Hilfsaktion ins Leben, die
den in Not geratenen Handwerkern zugute kam. Er gilt damit als einer
als Gründervater der gewerblichen Genossenschaften.
Die erste
Sparda-Bank wurde erst gut 50 Jahre später gegründet; am 6.
Mai 1896 unter dem Namen 'Spar- und Vorschuss-Verein der badischen
Eisenbahnbeamten' in Karlsruhe. Nach weiteren Neugründungen
entstand um die Jahrhundertwende ein eigener Revisionsverband. 1930
verspürten dann 33 Münchner Eisenbahner den Wunsch, in
finanziellen Angelegenheiten solidarisch zusammenzustehen. Also
gründeten sie eine Bank, die sie genossenschaftlich organisieren
wollten. Dazu mussten sie sich einem
Dachverband anschließen, der als gesetzlicher Prüfer die Rechtmäßigkeit
feststellen und sie als eG (eingetragene Genossenschaft) genehmigen
musste. Natürlich schlossen sich die Eisenbahner dem Verband ihrer
Berufskollegen an - und nicht dem Genossenschaftsverband Bayern. Der in
Frankfurt ansässige Sparda-Banken-Verband vertritt heute zwölf
eigenständige Sparda-Banken in Deutschland - und ist auch deren
zuständiger Prüfungsverband. |
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Die Sparda-Bank München eG hat aktuell 247000 Mitglieder und betreibt derzeit 46 Geschäftsstellen in Oberbayern. Im
Gegensatz zu vielen anderen Geldinstituten baut die Bank ihr Filialnetz aus: 2012 kamen zwei neue Geschäftsstellen dazu,
weitere
sind geplant. Christine Miedl, Mediendirektorin der Münchner
Sparda-Bank: 'Wir wollen nah am Kunden sein. Der braucht und will
persönliche Beratung.'Die Kunden sind zumeist auch Mitglieder der
Genossenschaft. Und es sind nur
Privatpersonen: Bei uns bekommt nur
Otto Normalverbraucher ein Konto für Lohn, Gehalt oder Pension und
Rente - keine Firma, kein Mittelständler' Dies ist schon so in den
Gründungsakten festgelegt. Erst 1969 öffneten sich die Bahn-Banker
zunächst anderen Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Seit 1974 stehen
die 'Spardas', wie sie auch salopp genannt werden, allen Privatpersonen
offen. Kunden können entweder einen Anteil zeichnen, dann erhalten sie
ein kostenloses Giro-Konto. Oder sie eröffnen ein kostenpflichtiges
Konto. Neben dem Münchner Geldhaus gibt es in Bayern noch die
Sparda-Banken Nürnberg, Augsburg und Ostbayern. Die Bankhäuser sind
zwar nicht im GVB organisiert, aber Mitglied im Bundesverband der
Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) und damit über dessen
Sicherungseinrichtung geschützt.
Zwar auch historische, aber vor allem politische Gründe sind ausschlaggebend dafür, dass eine ganze Gruppe von
Genossenschaften nicht zu den jeweiligen Länderverbänden gehört: die Wohnbaugenossenschaften. Die ersten
Gründungen datieren ziemlich zeitgleich mit dem Beginn der Bewegung durch Raiffeisen und Schulze-Delitzsch. Während
die Politiker ihre Idee jedoch eher staatsfern umsetzen wollten, war bei den Wohngenossenschaften von Anfang an eine
Zusammenarbeit - auch eine finanzielle - mit den Regierungen geplant. Deshalb gingen die Gründerväter von Anbeginn
getrennte
Wege. Die mehr als 2000 Unternehmen in Deutschland sind mit anderen
Wohnungsanbietern im Bundesverband deutscher Wohnungs- und
Immobilienunternehmen vertreten.
Im Freistaat gibt es zudem noch Jagd- und Weidegenossenschaften. Diese unterliegen jedoch nicht dem
Genossenschaftsgesetz, sondern werden als Körperschaften öffentlichen Rechts geführt - und sind in der Regel den
landwirtschaftlichen Verbänden angegliedert.
Ralf Scharnitzky
Quelle: Süddeutsche Zeitung, Donnerstag, den 13. Dezember 2012, Seite 64 |